Städtepartnerschaft mit Isfahan

Julien Bender

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste,

wir führen diese Diskussion zu einem wichtigen Zeitpunkt. Knapp zwei Jahre mussten die meisten Reisen abgesagt werden. Ich sehe diese Diskussion daher auch als Wendepunkt, als Neustart, zumindest als Hoffnungsschimmer, dass nach dieser Corona-bedingten Durststrecke möglichst bald wieder ein stärkerer Austausch möglich wird.

Städtepartnerschaft: Mehr als Touri-Tour für Gemeinderäte -> Interkultureller Austausch ist Friedensarbeit

Städtepartnerschaften sind sehr viel mehr als nette Touri-Touren für Gemeinderäte. Sie sind interkultureller Austausch. Sie leben von der Begegnung vieler unterschiedlicher Menschen und schaffen Verbindungen, die Frieden halten.

Dass Städtepartnerschaften echte Friedensprojekte sind, zeigt ein Blick in die Geschichte. Die ersten Partnerschaften entstanden nach dem Zweiten Weltkrieg. In einer Zeit, in der Völker bis zur Vernichtung gegeneinander aufgewiegelt wurden, kommt es schon kurz nach Ende des Krieges zu ersten festen Verbindungen zwischen Kommunen. Das Besondere: Es kommt nicht nur zum Austausch zwischen ehemaligen Verbündeten, sondern andere europäische Länder gehen Verbindungen mit Deutschland ein, dem Land, das für die schlimmsten Verbrechen verantwortlich ist.

Über 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs blicken wir auf eine einmalige Zeit des Friedens zurück. Ein wichtiger Garant dafür ist die Europäische Union. Die ist deshalb so stark, weil es intensive Beziehungen auf vielen Ebene, u.a. der Wirtschaft, Kultur und Bildung gibt. Es sind die vielen Verbindungen, die Europa zusammenschweißen. Und Städtepartnerschaften tragen entschieden zu diesen festen Banden bei. Sie sind damit eine der größten friedenspolitischen Maßnahmen.

1990 bereiteten sich Schülerinnen und Schüler einer Hauptschule in Wuppertal auf eine Reise in die Partnerstadt Schwerin vor. Heute wäre das eher eine Selbstverständlichkeit. Damals war das etwas Besonderes. Einer der Schüler formulierte seine Erwartungen so: „Ich möchte mal erfahren, ob das wirklich so ist, wie immer berichtet wird, oder ob das nur Übertreibung ist:  […]

Das Beispiel zeigt, wie Städtepartnerschaften das Verständnis zwischen Völkern vergrößern und Vorurteile abbauen können.

Isfahan: Vermeintliches Symbol setzen oder Wandel durch Annäherung?

Das Zitat von 1990 habe ich nicht zufällig gewählt. Wir unterhalten eine Partnerschaft zur Stadt Isfahan, die immer wieder kritisiert wird. Es stimmt, es gibt nur wenige Partnerschaften in Länder, deren politische Lage so eklatant ist, in denen Menschenrechte mit Füßen getreten werden, in denen Menschen, die für eine offenen und tolerante Gesellschaft kämpfen, im Gefängnis landen, gefoltert werden und sogar Gefahr laufen, umgebracht zu werden. Jede Kooperation macht sich verdächtig, als Feigenblatt für Despoten zu enden. Aber das ist nur eine Seite der Medaille.

Willy Brandt hat mit der Doktrin vom „Wandel durch Annäherung“ den Grundstein für die Aussöhnung zwischen Ost- und Westdeutschland gelegt. Auch damals gab es viel Kritik an der Annäherung an eine Diktatur.

Ich durfte über 75 Jahre lang an der Seite von Gernot Erler tiefe Einblicke in die Welt der Diplomatie und Friedenspolitik nehmen und haben dabei immer wieder erlebt, wie die Beziehungen mit Despoten und Diktatoren ein ständiger Tanz auf dünnem Eis sind. Die schlechteste der Alternativen ist aber immer gewesen, wenn jegliche Beziehungen gekappt werden mussten. Wandel ist nur durch Annäherung möglich und der braucht Gesprächswege. Auch wenn das meistens ein langwieriger Weg mit vielen Rückschlägen ist.

Die Städtepartnerschaft mit Isfahan zu beenden, mag auf den ersten Blick eine klare Position sein. Dann hat man gezeigt, dass wir die menschenverachtende Politik des Regimes im Iran nicht stützen. Aber was haben wir gewonnen? Glauben wir ernsthaft, dass es in der iranischen Regierung jemanden juckt, was der Stadtrat von Freiburg macht? Wird das iranische Regime seine Politik ändern, weil wir den zivilgesellschaftlichen Austausch kappen? Umgedreht ist es auch vermessen zu glauben, dass wir durch unsere Partnerschaft die iranische Politik in wenigen Jahren grundsätzlich ändern.  Aber es sind die kleinen Schritte, es sind die vielen Banden auf zivilgesellschaftlicher Ebene, die Veränderungen einläuten, die ihre ganze Kraft dann entfalten können, wenn sich die politische Großwetterlage ändert. Dann braucht es über Jahre gepflegte Verbindungen, die schnell greifen. Dann zeigt sich das Potential einer komplizierten und schwierigen Partnerschaft.

Auch 1989 gab es große Vorbehalte gegenüber deutsch-deutschen Städtepartnerschaften mit dem diktatorischen Regime der DDR. Und trotzdem gab es sie, wenn auch wenige. Als sich aber die Großwetterlage änderte, als sich die vielen kleinen Schritte zur Annäherung in einen reißenden Fluss verwandelten, da waren genau diese Partnerschaften Vorbild für viele weitere und in kurzer Zeit konnte so ein starkes Netzwerk entstehen.

Es ist immer ein einfacher Weg zu sagen: mit dem rede ich nicht. Wer nichts macht, macht sich auch nicht angreifbar. Wer nichts macht, kann aber auch nichts Positives bewegen.

Und trotzdem bleibt eine solche Verbindung ein Tanz auf dünnem Eis. Herr Burger und sein Team, unserer Oberbürgermeister und alle Beteiligten haben aber in der Vergangenheit gezeigt, dass sie sich auf diesem Untergrund gekonnt bewegen.

Sichtbarkeit der Partnerschaften erhöhen: Austausch lebt von Begegnung und Wissen über den anderen.

Städtepartnerschaften sind keine Außenpolitik, die wird in Berlin gemacht. Städtepartnerschaften tragen zur Friedensbildung bei, weil sie Menschen Begegnungen mit anderen Kulturen ermöglichen.

Deshalb ist es wichtig, dass so viele Bürgerinnen und Bürger mit den zahlreichen Partnerschaften in Berührung kommen. Das kann durch den direkten Austausch von Schülerinnen und Schülern, von kulturellen Gruppen, durch wirtschaftlichen Austausch und auf vielen weiteren Ebenen geschehen. Aber es kann auch einfach durch die Erfahrbarkeit der Partnerstädte in unserem Alltag passieren.

Wir müssen an zwei Dingen kontinuierlich weiterarbeiten:

  1. Besonders Menschen den Austausch ermöglichen, die bedingt durch ihre persönliche Situation wenig in Berührung mit anderen Kulturen kommen. Sportvereine und Sek I Schulen haben hier ein ganz besonderes Augenmerk verdient. Die Vorlage bleibt beim Breitensport eher dürftig.
  2. Wir können sehr stolz auf die vielen Netzwerke sein und sollten das auch immer wieder betonen. Die Informationen darüber, die Erfahrungen und schlicht Wissen über unsere Partnerstädte müssen im Netz, im Stadtbild, in Schulen und durch viele Veranstaltungen für ein breites Publikum im Alltag erfahrbar sein. Wer die Vorlage aufmerksam gelesen hat, weiß, dass wir hier auch schon auf einem guten Weg sind.

Ein, nein tausend Dank zum Schluss

Allein die Zahl der Partnerstädte, aber auch die Qualität der Netzwerke zeigt: Freiburg ist interkulturell stark aufgestellt und die Partnerschaften haben stabilen Rückenwind. Das ist der Verdienst der Verwaltung, allen voran Herrn Burger, der Zivilgesellschaft, die diese Partnerschaften mit Leben füllen, und auch es ist auch Ausdruck einer offenen und toleranten Stadtgesellschaft insgesamt.

Vielen Dank an alle, die diese starken Netzwerke über Grenzen und Unterschiedlichkeiten hinweg mit Leben füllen und zum Teil heute hier auch anwesend sind.

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