Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Bürgermeister_innenbank,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
Wir stehen alle gemeinsam inmitten von mehreren Krisen: Krieg in Europa, Klimakatastrophe, Spätfolgen der Pandemie, Inflation, gesellschaftliche Spaltung. Jede Krise an sich ist eine enorme Herausforderung für unsere Gesellschaft, diese Krisen treten aber gemeinsam und zeitgleich auf und verstärken sich gegenseitig.
Jetzt wäre es wohl vermessen zu sagen, dass wir mit der Verabschiedung des Doppelhaushalts einer mittelgroßen Stadt in Deutschland Antworten auf diese Krisen geben könnten. Sie entfalten aber genau bei uns hier vor Ort ihre Wirkung: täglich wahnsinnig lange Schlangen vor der Freiburger Tafel; seitenlange Wohnungssucher-Anzeigen in der Zypresse; überlaufene Schuldnerberater_innen; viele bei uns vor Krieg Zuflucht suchende Menschen; Spendenkonten, um Notstromaggregatoren in unserer Partnerstadt zu finanzieren. Wenn wir hier Politik machen, und nichts anderes ist der Haushalt, dann geschieht das nicht losgelöst von den globalen Herausforderungen. Denn unsere Stadt ist letztlich ein Abbild der Gesellschaft und der soziale Zusammenhalt, der gerade in Krisenzeiten so gefährdet ist, muss genau hier auf kommunaler Ebene gestärkt werden.
Meine Fraktion hat es sich deshalb zum Auftrag gemacht, in besonderer Weise der Situation der einkommensschwachen Teile der Bevölkerung gerecht zu werden. Sie sind es, die keine Lobby haben und deren Stimmen zu selten gehört werden. Und sie sind es, die unter den aufgezählten Krisen besonders leiden.
Manche hier im Haus betrachten diesen Teil der Bevölkerung unter dem Aspekt, dass sie doch nur Geld kosten würden. Diese Sichtweise ist so falsch wie gefährlich: Um den Zusammenhalt in unserer Stadt nicht zu gefährden, müssen wir genau diese Menschen in den Blick nehmen. Ihr Sprachrohr sein und in ihrem Sinne Politik machen. Profitieren werden davon alle, denn gesellschaftlicher Zusammenhalt und Toleranz sind das Fundament unserer Demokratie.
120 Millionen Euro für bezahlbares Wohnen
Meine Fraktion ist deshalb froh, dass der vom Oberbürgermeister und der Verwaltung eingebrachte Doppelhaushalt bereits zwei zentrale Themen aufgegriffen hat: Mit 120 Millionen Euro setzen wir einen zentralen Schwerpunkt im Bereich „Wohnungspolitik“, der nach wie vor dringender denn je ist. Denn der Zusammenhalt ist gefährdet, wenn sich immer weniger Menschen das eigene Dach über dem Kopf leisten können. Wer einmal ein paar Stunden in der Oase verbracht hat oder in anderen Obdachlosenunterkünften, die alle heillos überfüllt sind, sieht, dass von der ganz akuten Wohnungsnot mittlerweile auch Menschen aus der Mitte unserer Stadtgesellschaft getroffen werden können. Die steigenden Heizkosten und die eh schon teuren Mieten tun ihr Übriges. Für uns als SPD-Kulturliste ist es deshalb nur folgerichtig, dass wir investieren, was das Zeug hält und unser zentrales Instrument, die Freiburger Stadtbau, massiv stärken. Dass wir städtische Grundstücke in der eigenen Hand behalten und den neuen Stadtteil Dietenbach und Kleineschholz aufs Gleis bringen.
Und die ständigen Versuche von der konservativen Seite dieses Hauses, diese Errungenschaften zurück zu drehen, ertrage ich nicht mehr: So gut wie jede Sitzung wird versucht an unseren so wichtigen Beschlüssen, 50% geförderte Mietwohnungen zu bauen oder die städtischen Grundstücke nicht mehr zu verkaufen, die Axt anzulegen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind trotz aller Widrigkeiten genau auf dem richtigen Weg. Es geht ums Gemeinwohl. Es geht um nachhaltige Bodenpolitik und um dauerhaft bezahlbare Mietwohnungen. Ihre Profilschärfung als angebliche Haushaltssanierer geht langfristig zu Lasten der finanzschwachen Haushalte und kostet uns als Gesellschaft am Ende noch viel mehr Geld. Es war genau ihre konservative „wir überlassen alles dem Markt“-Mentalität und „verkaufen am Besten noch die Stadtbau“-Haltung, die überhaupt erst dazu geführt hat, dass sich heute ein Großteil der Freiburger_innen die Mieten nicht mehr leisten können. Wir lehnen Ihre Anträge, die allesamt für eine rückwärtsgerichtete Wohnungspolitik stehen, geschlossen ab.
72 Millionen für den Klima- und Artenschutz
Ein weiterer zentraler Schwerpunkt im Haushalt ist die Bekämpfung der Klimakrise. Seit mein Sohn auf der Welt ist, stelle ich mir umso mehr die Frage: In welcher Welt werden unsere Kinder aufwachsen? Wie sieht ihre Zukunft auf unserer Erde aus? Wird er noch eine grüne Natur erleben können? Die Auswirkungen der Katastrophe, auf die wir weiterhin ohne Halt zusteuern, sind schon in Freiburg spürbarer denn je: Hitzerekorde im Sommer, Dürre und steigende Brandgefahr in unserem Stadtwald: Konkretes Handeln ist jetzt gefordert.
Auch von dieser Krise sind vor allem wieder diejenigen betroffen, die sich keine klimatisierte Wohnung leisten und nicht zum Durchatmen nach Sylt fahren können. Gut, dass wir hier so ein klares Zeichen setzen und in den nächsten beiden Jahren über 72 Millionen investieren. Wir stärken den Zusammenhalt, indem wir in unsere Zukunft auf diesem Planeten und in unserer Stadt investieren.
Eine weitere Investition, für die wir viele Jahrzehnte (!) gekämpft haben und die ebenso genau den Menschen zugutekommt, die nicht in den Urlaub fahren können, ist das Freiburger Westbad. Unsere Anträge im Doppelhaushalt waren fast schon „Running-Gags“, jetzt sind wir unglaublich froh, dass der Freiburger Westen endlich wieder sein Freibad bekommt. Die vielen Engagierten und die dort so stark gewachsene Bevölkerung warten schon viel zu lange darauf!
Auch froh sind wir über eine Reihe von Anträgen, die bereits in der zweiten Lesung schon eine Mehrheit bekommen haben. Die Zuschusserhöhung ans Diakonische Werk, zur Unterstützung von Projekten für Menschen, die von Obdachlosigkeit bedroht sind; die Fortführung des Programms „Schulschwimmen“, damit in Grundschulen mehr Kinder schwimmen lernen; einen höheren Zuschuss für Wendepunkt, das Frauen und Mädchen Gesundheitszentrum, die Pflasterstube oder das Jugendhilfswerk. All diese Einrichtungen tragen dazu bei, dass der Zusammenhalt gestärkt wird. Unter diesem Motto haben wir unsere Haushaltsgespräche geführt und für Mehrheiten gekämpft.
Personalkosten: Ein Viertel des Gesamthaushaltes
Wenn wir auf die Gesamtzahlen des Haushalts schauen, muss uns ein Posten besonders beschäftigen: Die Personalkosten. In den letzten drei Jahren sind sie über 20 % gestiegen und machen mittlerweile in etwa ¼ des Gesamthaushaltes aus. Und auch der Anteil an Pflichtaufgaben wird immer größer und als Folge davon der Entscheidungsspielraum für uns Stadträtinnen und Stadträte immer kleiner. Dass auf kommunaler Ebene immer weniger Entscheidungen getroffen werden können, obwohl für die meisten Menschen genau hier die Musik spielt, scheint auf Bundes- und Landesebene noch immer nicht angekommen zu sein.
Viele Kommunen haben einen immer höheren Schuldenberg bei gleichzeitig immer drängenderen Themenstellungen. Ein Thema, das das ganz gut verdeutlicht, sind die „Kita-Gebühren“. Kein Thema hat mich ganz persönlich und uns als Fraktionsgemeinschaft in den letzten Wochen und Monaten so arg beschäftigt, traurig und wütend gemacht; Realpolitik kann manchmal ganz schön hart sein: Bei uns hier in Freiburg ist der Bruttoaufwand für „Kitas“ in den letzten Jahren von 284 Millionen auf 317 Millionen gestiegen, also um 33 Millionen. Um dem Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz gerecht werden zu können, die Qualität hochzuhalten und vor allem unser Personal gut – und in Zukunft besser zu bezahlen, müssen wir den Deckungsgrad der Elternbeiträge erhöhen, weil wir es als Kommune schlichtweg nicht mehr finanzieren können. Der Grund dafür ist, dass sich unsere Landesregierung komplett aus der Verantwortung stiehlt. Neben Sachsen gibt es KEIN anderes Bundesland, das so verantwortungslos handelt. In 14 von 16 Bundesländern werden die Kita-Gebühren entweder ganz übernommen oder zumindest bezuschusst, nur hier, im reichen Baden-Württemberg, das seinen Haushalt mit einer schwarzen Null abschließt, werden die Kommunen allein im Regen stehen gelassen.
Lieber Oberbürgermeister, bitte setzen Sie sich gemeinsam mit uns auf Landesebene mit dem Städtetag dafür ein, dass diese familienfeindliche Politik endlich ein Ende hat. Die Kommunen dürfen bei diesen wichtigen Aufgaben nicht allein gelassen werden. Ich bin froh, dass wir ein Stufensystem haben, mit dem immerhin mehr als die Hälfte der Eltern in Freiburg weniger oder gar keine Gebühren zahlen. Unser Ziel bleibt aber, dass Bildung gebührenfrei ist – und zwar von Anfang an. In die Pflicht genommen werden muss das Land!
Lieber GEB-K, liebe Eltern,
ich würde mir wünschen, dass Ihr tatkräftiger Einsatz gegen die Kitagebühren nicht heute endet.
Und ich würde mir wünschen, dass wir morgen unsere Kräfte bündeln und uns gemeinsam auf der Landeseben für eine Gebührenfreiheit einsetzen – denn nur dort können wir dieses Ziel erreichen.
Und auch, wenn das eine ziemlich bittere Pille ist, die wir schlucken müssen, kann meine Fraktion dem Haushalt insgesamt zustimmen. Und ich finde, angesichts dessen, was dort alles abgebildet ist und wer von dem Beschluss unseres Haushalts abhängig ist, müssen wir es sogar! Seit dem vorletzten Haushalt scheint es „en vogue“ zu sein, den Haushalt einfach abzulehnen, wenn einem dies oder jenes nicht passt. Und ich muss sagen: Ich finde das ganz schön daneben. Wir verhandeln hier über viele Wochen und Monate über ein ganz schön dickes Paket – wir diskutieren hart, gewinnen Abstimmungen und stecken Niederlagen ein. Der gesamte 2,42 Milliarden schwere Doppelhaushalt ist so umfangreich wie wichtig. Er bildet jeden Zuschussempfänger ab, jede Fachkraft im Wohnheim, in der Schulkindbetreuung, in der Wohngeldbehörde, er bildet Vereine wie CaPoA, Kick for girls, Refugium, das Frauen- und Mädchenschutzhaus und vieles mehr ab. Projekte, für die jede_r Einzelne hier mit unterschiedlichen Schwerpunkten gekämpft hat. All jene brauchen unsere Stimme für den Haushalt, um ihre Arbeit fortsetzen zu können. Im Grund verlassen sich diejenigen, die den Haushalt ablehnen, am Ende darauf, dass eine Mehrheit schon zustimmen wird. Und das finde ich ehrlich gesagt nicht nur unkollegial, sondern unverantwortlich. Ich finde: wer hier auf einem dieser 48 von der Bürgerschaft gewählten Stühlen sitzt, hat die Verantwortung, das große Ganze nicht aus dem Blick zu verlieren, und dazu gehört eben auch der Gesamtblick auf den 2,42 Milliarden schweren Haushalt. Demokratiefähigkeit zeigt sich auch in der Kompromissfähigkeit.
Aus dieser Haltung heraus stimmen wir dem Haushalt zu, mit einer bitteren Pille und vielen vielen Projekten, für die wir erfolgreich gekämpft haben – manchmal sogar viele Jahrzehnte lang. Vor allem stimmen wir diesem Haushalt aber zu, weil er unserer Meinung nach den Zusammenhalt stärkt. Mit massiven Investitionen für mehr bezahlbaren Wohnraum, in unser Stadtklima und für die vielen Vereine und Initiativen, die sich um die Menschen kümmern, die keine Lobby haben.
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit!
Hier könnt Ihr noch einmal unsere erfolgreichen Anträge nachlesen