Rede zur „Kontaktstelle Frau und Beruf“

Julia Söhne, SPD-Stadträtin im Freiburger Gemeinderat

Sehr geehrter Herr OB,

sehr geehrte Frau Gensler,

seit 2-3 Wochen habe ich TikTok. Eine Social Media Plattform, auf der man in 15 oder 60 Sekundenvideos irgendwas lustig/kreatives dreht oder zu bestimmten Themen Stellung nimmt. (Fehlt übrigens noch in ihrem Repertoire, Herr Oberbürgermeister)  Anders als bei Insta oder Facebook, funktioniert der Algorithmus bei Tiktok noch nicht so super, was auf der anderen Seite den Vorteil hat, dass man noch nicht in einer bestimmten Bubble festhängt. Abgesehen davon, dass ich jetzt noch deutlich mehr Zeit vor dem Handy verbringe, habe ich letzte Woche ein Video darüber gedreht, dass während der Corona-Zeit etwa 20% der Frauen ihre durchschnittlich eh schon geringere Arbeitszeit nochmal reduziert haben. Ich habe filmisch dargestellt, was diese Frauen stattdessen gemacht haben: Sie haben sich zwischen Homeoffice und Homeschooling zerissen, sie haben sich um die Kinder gekümmert, den Haushalt geschmissen und nebenher noch ein paar Emails für den Job beantwortet. Nachdem ich das Video hochgeladen habe, kamen auch schon die ersten Kommentare: Mika_32: Die Frauen sind doch selbst schuld, es ist doch ihre freie Entscheidung; Sirusedge: Ist doch schön, wenn sich Frauen um Kinder kümmern und sie nicht einfach in eine Kita stecken; Chrisscross: Ähm das war doch früher auch so, oder hast du mal ne Frau beim jagen gesehen?; Ich erspare ihnen weiteres. Abgesehen davon, dass all diese Kommentare von Männern kamen, fasst das aus meiner Sicht ganz gut zusammen, warum die Stelle von Frau Gensler so wichtig ist und warum wir viel häufiger über vorherrschende Ungerechtigkeiten zwischen Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt sprechen sollten.

Wir sollten darüber sprechen, dass es obwohl es noch immer Mädchen und junge Frauen sind, die nach der Schule, Ausbildung und Studium die Nase vorne haben, sie immer noch 21% weniger als ihre männlichen Kollegen verdienen. Wir sollten darüber sprechen, dass es noch immer eine große Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen gibt. Wir sollten darüber sprechen, dass es in fast allen Lebensläufen von Frauen einen Knick gibt, wenn das erste Kind da ist und wir sollten darüber sprechen, was das für Folgen hat. Folgen für die Selbstbestimmung von Frauen, aber auch ganz praktisch auf die Rente oder die Wirtschaft im Allgemeinen.

Meine Fraktion ist froh, dass wir die Kontaktstelle Frau und Beruf haben, die hier genau ansetzt, die Unternehmen berät, wie sie sich besser auf die Bedarfe von Frauen einstellen können, die Wiedereinsteigerinnen unterstützt, Frauen für die Altersvorsorge informiert, Netzwerke knüpft und mit Rat und Tat zur Seite steht.  Die tollen Ergebnisse der Befragung machen deutlich, dass das vielfältige Angebot bei den Frauen ankommt.

Wir wünschen Ihnen Frau Gensler und auch uns allen, dass wir die Gefahren der Retraditionalisierung erkennen und angehen. Dass wir unsere Errungenschaften der letzten Jahre nicht leichtfertig verspielen und dass im öffentlichen Bewusstsein ankommt, dass die bezahlte und unbezahlte Arbeit zu gleichen Teilen zwischen Frauen und Männern geteilt werden muss, da es ansonsten keine Gleichstellung der Geschlechter geben wird. In diesem Sinne: Alles Gute zum 25 Geburtstag und weiterhin viel Erfolg bei Ihrer Arbeit. Wir bedanke uns herzliche bei Ihnen, Frau Gensler und Ihrem Team, für Ihren Einsatz in den letzten Jahren.

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