Kürzungen beim VD polarisieren

HP_Julien Bender und Stefan Schillinger

Hinweis zu beiden Reden: Es gilt das gesprochene Wort.

Erster Redebeitrag für die Kürzungen von Julien Bender:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,

Störche bringen Kinder. Das ist statistisch erwiesen! Wo viele Störche sind, sind auch die Geburtenraten hoch. Trotz der klaren Datenlage, ein Zusammenhang ist natürlich Nonsens. Es ist eine sogenannte Scheinkorrelation. Die Druckvorlage argumentiert ähnlich abenteuerlich, wenn für das Jahr 2020 ein Rückgang der Straftaten unmittelbar auf den VD zurückgeführt wird. Es ist sehr selektiv, wenn nicht gar „unehrlich“, wie hier mit Statistik umgegangen wird. Für das Jahr 2020 erleben wir landesweit einen Rückgang der Straftaten – coronabedingt. In einigen Städten fällt der sogar noch größer aus als in Freiburg. Freilich kann daraus auch nicht abgeleitet werden, die Einführung des VD sei nachteilig gewesen. Herr Breiter, das wirkt schon sehr zwanghaft. Es scheint, als wollten Sie mit allen Mitteln rechtfertigen, warum wir dem Land noch mehr Arbeit abnehmen müssen.

Aber nicht nur deshalb steht ein Teil unserer Fraktion, für den ich hier spreche, hinter der Forderung, die Ausweitung des Vollzugsdienstes von 2019 zurückzudrehen. Ich möchte das mit vier Argumenten untermauern:

  1. Die Stadt hat 2019 nicht wirklich mehr vom Land bekommen als andere Kommunen. Das Land macht lediglich das, zu dem es eh verpflichtet wäre und was andere Kommunen auch bekommen haben.
  2. Deshalb wird die Rücknamen auch keine Auswirkungen auf die Haltung des Landes haben.
  3. Es findet eine Verlagerung von Aufgaben der öffentlichen Sicherheit hin zu den Kommunen statt. Zwar ist die Landespolizei nicht unglücklich, wenn unliebsame Aufgaben abgenommen werden. Aber auch dort vernehme ich, dass man sich sorgend fragt: Wo soll das hinführen, wenn Tarifangestellte hoheitliche Aufgaben übernehmen. Wo ist da die Grenze?

Es muss klar sein: Wenn es um Straftaten geht, ist der Polizeivollzugsdienst gefragt.

Das führt direkt zum vierten Argument:

4. Die Verlagerung der Aufgaben bringt den Vollzugsdienst in Einsätze, für die er nicht ausgebildet ist und auch keine ausreichende Absicherung durch den Arbeitgeber hat. In der Diskussion um die Schlagstöcke, ist die bedrohliche Lage immer wieder dargestellt worden. Es gib im Schnitt 3 Angriffe gegen Polizisten am Tag. Der VD ist äußerlich fast nicht mehr von Polizei zu unterscheiden, und wird daher zwangsläufig auch mit dieser Gewalt konfrontiert. Nur: Polizisten sind verbeamtet und genießen den Schutz der Heilführsorge. Die städtischen Mitarbeiter sind Tarifangestellte mit 6 Wochen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

Zusammengefasst: Unser Abstimmungsverhalten ist kein Misstrauen gegenüber dem VD. Wir wissen um die hohe Qualität der Arbeit. Wir wollen lediglich keine weitere Aufgabenverschiebung vom Land hin zur Kommune – wie auch schon im Bildungsbereich. Wir wollen den präventiven Charakter wieder in den Fokus rücken.

Zu guter Letzt, eine Brücke für die weitere Diskussion: Wir könnten als Kommune dem Land entgegenkommen, um die Delle aufzufangen, die entstanden ist, weil die Pensionierungswelle bei der Polizei von der Politik lange ignoriert wurde. Im Gegenzug verpflichtet sich das Land aber, mit steigender Zahl von Neueinstellungen – die Ausbildungsoffensive wird in den kommenden Jahren ihre Wirkung zeigen – auch wieder selbst mehr Aufgaben zu übernehmen. Das müsste man dann aber neu verhandeln.

Zweiter Redebeitrag gegen die Kürzungen von Stefan Schillinger:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,

ich darf an dieser Stelle für die andere Hälfte unserer Fraktion sprechen, die für den Beibehalt des Vollzugsdienst in jetzigem Umfang plädiert. Gleichwohl stimmen wir bei verschiedenen Punkten mit dem überein, was Julien Bender gesagt hat: Auch wir sehen beispielsweise die Verantwortung, für Sicherheit und Ordnung zu sorgen, bei der Polizei und damit beim Land. Es erfüllt diese Aufgabe nicht ausreichend und zwingt uns als Kommune tätig zu werden. Wie etwa bei der Schulsozialarbeit oder bei den Sprachfachkräften. Wir haben ja tatsächlich zu 100% städtisch finanziertes Personal, das direkt im Unterricht Grundschulkinder beim Erwerb von Sprachkompetenz unterstützt. Eigentlich überhaupt nicht unsere Aufgabe, aber wir machen es, weil es uns sehr wichtig ist. Und genauso wie es einem Grundschulkind ziemlich egal sein wird, ob die Person, die es unterstützt von der Stadt oder vom Land bezahlt wird, wird es vermutlich auch den 23 Frauen, die, ich zitiere aus der Vorlage, aus konkreten Bedrängungssituationen herausgelöst und z.B. zum Frauennachttaxi begleitet wurden, ziemlich egal sein, ob die Helfer städtische Bedienstete oder Landesbedienstete waren. Die Sorge um die Gesundheit unserer VDler, die Julien Bender vorgetragen hat, ist eine aufrichtige und muss ernst genommen werden. Der Job ist natürlich gefährlicher als Kinder beim Spracherwerb zu unterstützen. Ich denke aber, dass die Ausbildung, die uns präsentiert wurde, eine gute ist. Zudem hält der VD bei seinen Rundgängen engen Kontakt zur Polizei. Und, ich habe als erster Stadtrat im März 2019 bis Mitternacht mit VDlern unterwegs sein dürfen, sie treffen m.E. genau den richtigen Ton. Verschiedene Dinge sind mir bei diesem Rundgang in Erinnerung geblieben: Das erste: Es gab zahlreiche Bürgerinnen und Bürger, die sich gefreut und bedankt haben, „Schön, dass ihr unterwegs seid“. Wer sich nicht bedankt hat, das waren die beiden Bayern-Fans (Bayern hatte am Nachmittag gegen den SC gespielt) die an die Uni-Fassade gepinkelt und dafür ein Ticket kassiert haben, aber, sie haben Einsicht gezeigt, vermutlich wog der Punkteverlust, Ergebnis war 1:1, schwerer. Was mir auch in Erinnerung geblieben ist, ist eine sehr lange Diskussion mit einer Gruppe junger Erwachsener im Stühlinger Park, die einen Haufen Müll, Flaschen, Scherben um sich herum liegen hatten und am Gehen waren. Es hat viel Zeit gekostet, aber auf dem Rückweg konnten wir sehen, der Müll war weg. Ich weiß nicht ob die Polizei die Zeit und Geduld hätte aufbringen können, ein solches Gespräch zu führen. Und zuletzt habe ich in Erinnerung das Gesicht des jungen Mannes, der kurz zuvor im Colombi-Park überfallen wurde, einfach verzweifelt war und offensichtlich noch nicht einmal in der Lage, die Polizei anzurufen. Der VD hat schnell und souverän, weil empathisch, reagiert. Das hat mich beeindruckt.  

Mein letzter Punkt: Im Rahmen der Sicherheitspartnerschaft haben wir damals ein gutes Paket geschnürt: Mehr Vollzugsdienst, Ausweitung auf Gebiete wie bspw. den Seepark, aber eben auch mehr Straßensozialarbeit, und, so mit dem Land vereinbart, dauerhaft mehr Polizei und Ermittlungskräfte. Die Hälfte unserer Fraktion ist dagegen dieses Paket aufzuschnüren und stimmt daher gegen den Kürzungsvorschlag.

Der Beitrag hat Ihnen gefallen?

Share on Facebook
Share on Twitter