Ein Dreisprung als Rettungsschirm

Atai Keller

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

sehr geehrter Kulturbürgermeister Ulrich v. Kirchbach,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

An den Anfang meiner Ausführungen will ich zwei Zitate stellen, das erste stammt vom ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizäcker und das zweite kommt von Carsten Brosda, dem amtierenden Senator für Kultur und Medien in Hamburg:

„Kultur ist kein Luxus, den wir uns leisten oder auch streichen können, sondern der geistige Boden, der unsere eigentliche Überlebensfähigkeit sichert.“

Richard von Weizäcker, Bundespräsident a.D.

„Kultur ist mehr als systemrelevant, mehr als ein Rädchen im Getriebe der Gesellschaft, Kultur ist die Arbeit am gesellschaftlichen Sinn unseres Zusammenlebens.“

Carsten Brosada, Senator für Kultur und Medien in Hamburg

Dennoch ist Kultur noch immer eine freiwillige Leistung. Nur in Sachsen ist sie zur Pflichtaufgabe erklärt. Der deutsche Städtetag spricht immerhin schon von Kultur als politischer Pflichtaufgabe und innerhalb der Debatte über eine kulturelle Grundversorgung werden die kulturelle Teilhabe und die kulturelle Vielfalt als Eckpfeiler einer konstitutiven Kulturpolitik anerkannt. Mit Interesse habe ich neulich die Notiz gelesen, die Linke will Kultur im Grundgesetz als Staatsziel verankern.

Überall, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird also in diesen schweren Zeiten für alle Bereiche und Branchen über den Fortbestand und die Bedeutung der jeweiligen Bereiche nachgedacht. Der Kultur kommt hier wie gehört eine besondere Bedeutung zu.  Gleichzeitig fallen viele Künstler und Künstlerinnen nicht unter die berühmte Soloselbstständigen-Hilfe. Diese Erfahrung machen große Teile der Künstlerschaft auf schmerzliche Art und Weise. Viele Einzel-Künstler/rinnen fallen immer noch durch die Antragsraster oder die zeitliche Begrenzung bringt nur sporadische Linderung. So bleibt vielen dann letztlich nur die Grundsicherung und die Hoffnung, dass sich möglichst bald wieder eine Normalisierung der Aufführungsbedingungen einstellt, und eine Rückkehr zu einem regelmäßigen Spielbetrieb bald wieder möglich ist. So sieht es aber leider nicht aus. 

So ist es der gemeinderätlichen Initiative von immerhin 5 Fraktionen und ihrer Beharrlichkeit (vor allem die Grünen) nicht hoch genug anzurechnen, dass es jetzt eine Vorlage zur finanziellen Unterstützung von Clubs und Musikspielstätten gibt, die schnell und möglichst mit leichter Bürokratie bis Ende September schon zu einer Entscheidung über die Einzelförderung kommen will. Ein Zusatzantrag, der auf die Schnelle noch vom Verein Multicore angeregt wurde, ist inzwischen von den Fraktionen dankend zur Erleichterung der Bedingungen für die Antragstellung mit aufgenommen worden.  Die Lage der bisher nicht subventionierten Clubs und Spielstätten kann nur mit dramatisch beschrieben werden, da nützt auch keine noch so kreative Ausgestaltung einer Außenfläche oder eines Streaming-projektes. Allenfalls werden dadurch die Ausfälle abgemildert.

Es ist verschiedenen Playern zu verdanken, dass es überhaupt zu einer solchen Initiative gekommen ist, die jetzt in diese Vorlage mündet. Da ist zum einen Multicore zu nennen, der Verein der Live-Musiker und Musikerinnen, der unermüdlich auf die drohende Not und auf die aktuelle Situation der Clubs hingewiesen hat und die Musiker zum Durchhalten mit Infos und Vernetzung am Leben erhält. Die kleine Unterstützung, die seit dem letzten Haushalt diese Initiative erhält, hat sich sicher schon hundertmal im kulturellen Leben der Stadt ausgezahlt. Solche Netzwerke zu unterstützen, ist ein ausgemachtes Ziel der aktuellen Kulturpolitik. Da ist zum zweiten die IG Subcultur, ein seit längerem existierender Förderkreis, der sich um die Belange der Clubs, der Spielstätten und der Sub-und Nachtkultur im politischen Feld kümmert und so diesem Bereich inzwischen zur Bedeutung verholfen hat.  Da ist aber auch der Popsupport und das Kulturamt zu nennen, die mit unermüdlichem Einsatz zu dieser schnellen und zielführenden Vorlage verholfen haben. Dafür ein großer Dank. Klar ist dabei, sollte dieser Fond in dieser Höhe nicht ausreichen, – und wir bekommen den Bericht im Herbst, – so ist eine Aufstockung zwingend.

Die zweite Vorlage, die sich um eine coronabedingte Verbesserung der Situation für  Kultureinrichtungen, Kulturgruppen und Einzelkünstler/innen sorgt, und für die die SPD/Kulturliste zeichnet, kommt einem kommunalen Rettungsschirm gleich, der auch die Sporteinrichtungen und Sportgruppen miteinbezieht. Dieser Schulterschluss ist bedeutend. In einem aufwendigen Verfahren, das die Verwaltung an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit bringen wird, sollen die gesamten Einrichtungen im Kultur-und Sportbereich bis zur Haushaltseinbringung ihre durch Corona neu entstandene Situation darstellen und eventuelle Veränderungen in der Haushaltsdarstellung aufzeigen. Diese Aufstellung wird Bestandteil der Haushaltseinbringung Anfang Dezember sein. Die Ergebnisse der Überprüfung aus den Ausschüssen werden dann in die Haushaltsberatungen eingearbeitet. Im konkret drohenden Fall einer bevorstehenden Insolvenz jetzt im zweiten Halbjahr 2020 soll die Kulturverwaltung sofort durch Prüfung der Verhältnisse zu einer Bewertung im Sinne des Fortbestands der Einrichtung kommen und entsprechende Gegenmaßnahmen vorschlagen. Das kommt einem Rettungsschirm gleich, der über die Einrichtungen aufgespannt wird, damit in Freiburg eine Insolvenz  kulturellen Einrichtungen verhindert wird. Explizit bezieht sich diese angesprochene Rettungsmaßnahme auf alle kulturellen Einrichtungen unabhängig von der Förderung durch die Stadt. Auch der Sportbereich ist äußerst dankbar für diese Absicherung seiner finanziellen Situation.

Die dritte Vorlage in diesem gelungenen Dreisprung bezieht sich auf die Einsprüche der Konzertveranstalter und Orchester wegen der bisher gleichbleibenden Mietzahlungen bei gleichzeitiger Reduzierung der Zuschauerplätze in den Räumen der FWTM. Auch hier ist die Festlegung auf Erstattung der Mietkosten um 50% zeitlich und summarisch begrenzt. Auch hier gilt, dass alle Beteiligten auf Sicht fahren und auch diese Regelung mit einer Überprüfung ausgestattet sein muss. Keiner weiß, wie die Situation im Herbst ist, deswegen die Begrenzung bis Ende des Jahres. Im weiteren Bedarfsfall für 2021 ist  auch eine Fortsetzung in Aussicht zu stellen.

Wir alle schätzen unendlich die momentanen kreativen Projekte der Kulturschaffenden im Freien, die Streaming-Projekte der Clubs und Musikgruppen, wenigstens ein kleines Spielangebot aufrecht zu halten und die Musik in unsere Wohnzimmer zu bringen.  Aufführungen mit reduzierter Zuschauerzahl sind jetzt sofort ausgebucht, die Gier nach Kultur, Musik, Theater, Film, Ausstellungen und Performance und gemeinsamen Erleben wächst ins Unermessliche! Die Kultur kann nur mit anhaltender Unterstützung durch die Krise kommen!

(Rede von Atai Keller im Gemeinderat/28.7.2020)

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